Rolf Kühn erhält den Deutschen Jazzpreis für sein Lebenswerk (gemeinsam mit Joachim Kühn).
Till Brönners Laudatio an Rolf und Joachim Kühn: Ich glaube, ich habe noch nicht so viel Dauerapplaus gehört, wenn es um Jazz ging, noch nie! Egal, wo ich war. Das ist ein ziemlich gutes Zeichen. Das ist ein fantastischer Abend. Ich hoffe, dass das Schule macht; das würde ich gerne vorweg sagen ich: Ich freue mich wahnsinnig, heute über zwei Musiker sprechen zu können, die zu den Leuchttürmen schlechthin nicht nur im Jazz in Deutschland, sondern vor allen Dingen über Deutschland hinaus gehören. Ich finde, dass das noch mal eine kleine Unterscheidung wert ist. Beide waren bereits weltberühmt, als ich meine allerersten Versuche auf der Trompete gemacht habe und ihre persönliche Geschichte spiegelt auch die wechselhafte deutsche Geschichte wider. Es geht um die beiden Brüder Rolf und Joachim Kühn, die aus einer Artistenfamilie stammten. Ihr Vater hatte mit seinem eigenen Bruder ein Zirkus-Duo, das nannte sich die Brüder Kühn, "die kühnen Brüder". Gerade haben wir gehört, dass Rolf und Joachim Kühn im Abstand von 14 Jahren geboren wurden, ihre Kindheit aber gar nicht miteinander verbracht haben und später unzertrennlich waren. Der eine von den beiden, Rolf Kühn, musste 1938 mit ansehen, wie die Nationalsozialisten das Zigarettengeschäft seiner Mutter zerstörten; der andere, Joachim Kühn, in Leipzig geboren, wuchs in der DDR auf und blieb 1966 nach einem Wettbewerb im Westen. Der Ältere machte als Klarinettist eine glänzende Karriere und spielte so gut, dass er sogar Benny Goodman, in dessen Band erspielte, ersetzen durfte, wenn der mal keine Zeit hatte, was aber nur ganz selten der Fall war. Gott sei Dank gab es Rolf Kühn, und es ist ganz wichtig zu sagen,dass er es als einer der ganz wenigen deutschen Musiker überhaupt geschafft hat, in den USA großen Erfolg zu haben. Ich weiß nicht, ob man dieses wunderbare Postkartenfoto mit Donald Byrd und Rolf Kühn in der New Yorker Subway kennt. 1960 hatte der legendäre William Claxton diese Aufnahme gemacht und ich besaß einmal 25 Exemplare davon. Diese New Yorker Erfolge werden viel zu selten erwähnt. Nach einigen Jahren kam Rolf Kühn zurück nach Deutschland, wo er unter anderem Chef des NDR Fernseh-Orchesters und später musikalischer Leiter im Berliner Theater des Westens wurde. In den frühen 90er Jahren saß übrigens auch ein gewisser Till Brönner im Orchestergraben und staunte über das, was dieser Mann da vorne so tat. Joachim Kühn, der jüngere der beiden Brüder, wurde zu einem der expressivsten Jazzpianisten Europas. Er spielte Rock Jazz und Free Jazz. Er gab sogar mit dem Leipziger Thomanerchor Konzerte und hatte ein europaweit gefeiertes Trio. Darüber hinaus gab er enorm energiegeladene Solokonzerte, was er übrigens heute noch tut. Immer wieder spielten die beiden Brüder auch gemeinsam im Duo und in verschiedenen Band-Besetzungen. Wenn man das einmal erlebt hat, wird man das nie wieder vergessen. Es ist nicht nur wunderbar gewesen, weil man dieses immense Interesse und die Bewunderung des einen am Können des anderen so spürte, sondern auch, weil es einfach sehr rührend war, zu sehen, was beide verband: Es war die musikalische Neugier und die Lust, mit ganz jungen Kollegen und Kolleginnen zusammen zu spielen. Wir ehren heute für ihr Lebenswerk die beiden Brüder Rolf und Joachim Kühn. Der Klarinettist Rolf Kühn kann diese Ehrung nicht mehr entgegennehmen. Er starb letztes Jahr im stolzen Alter von 92 Jahren, doch seine Frau Melanie wie Joachim Kühn sind heute bei uns. Ich bitte beide auf die Bühne. |
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